Ökologisch-Demokratische Partei
Ortsverband Neufahrn-Eching

Portrait Markus Hiereth

Veröffentlicht im Echinger Forum 02/2024

Über "Die Summe unseres Glücks"
(überarbeitete und ergänzte Fassung vom März 2024)

Schon seit längerem gibt es in Günzenhausen zu jeder Zeit Lesestoff. Er wartet im Buswartehäuserl in einem Blechschrank. Um die Feiertage war ich dort und wurde Peter Wohllebens "Das geheime Leben der Bäume" los - mit einem eingeklebten Hinweis auf das wahrscheinlich substanziellere Buch "Das wahre Leben der Bäume". Mitgenommen habe ich einen Roman mit dem vielversprechenden Titel "Die Summe unseres Glücks". François Roux erzählt darin die Geschichte von vier Freunden; was sie nach bestandenem Abitur aus sich machen, oder, was aus ihnen wird. 31 Jahre später kennen die vier ihre Siege und Niederlagen und ich habe mich über 624 Seiten mit ihnen gefreut oder gelitten.

Bei einem der vier Freunde, Rodolphe, dreht sich das Leben um Politik. Es war eine der starken Stellen im Roman, als ihn, bald nachdem er mit Genugtuung feststellt, endlich als Abgeordneter wahrgenommen zu werden, ein Zweifel befällt: Dient er tatsächlich noch seinen einstigen Idealen oder arbeitet er inzwischen die Punkte ab, die ihm sein für Marketing und Strategie zuständiger Mitarbeiter auf die Agenda gesetzt hat? Ich denke, je professioneller sich Politik gibt, desto mehr schielt sie nach einem Erfolg, den sie mit medialer Präsenz gleichsetzt und unentwegt in Zustimmungsprozenten gemessen wissen will. Auf der Strecke bleiben die Zusammenhänge, die jeder verstehen könnte und die über den Tag hinaus zählen.

Am Ende seines Werks übertritt François Roux mit hellem Blick den Rahmen belletristischer Literatur und analysiert schonungslos die Umtriebigkeit unserer Generation:

Wir sind, so scheint mir, in einer Welt groß geworden, in der noch die letzte Gewissheit Federn gelassen hat. Eine Welt, die in ihre eigene Falle getappt ist, indem sie entschlossen und blindwütig die Grenzen gesprengt hat, die sie sich angeblich gesetzt hatte. Eine Welt, die es aufgegeben hat, an einem übergeordneten Ideal zu arbeiten, die Einzelinteressen gefördert und das Allgemeininteresse ignoriert hat. Wir sind die Totengräber des Wirtschaftswunders, die Kinder der Krise, der Arbeitslosigkeit, des Überkonsums, der Globalisierung, des trägen Wachstums, einer Welt, in der das Geld einst König war und jetzt zum Narren geworden ist, natürlich sind wir all das, vor allem aber sind wir die Kinder des Zweifels und der Unsicherheit. Seit dreißig Jahren segeln wir auf Sicht, ratlos und unentschlossen, auf ein Ziel zu, das unsere orientierungslose Welt uns klar gewiesen, aber allzu teuer verkauft hat: Trotz allem glücklich zu sein und, im gleichen Atemzug, Erfolg zu haben. aus François Roux: Die Summe unseres Glücks, Piper-Verlag, 2016

Hinsichtlich des Preises bleibt der Autor unbestimmt. Man ahnt aber, Erzähler Paul und seine Freunde bezahlten in Jahren ihrer Lebenszeit. Denn Glück will Zeit, der Erfolg dagegen bald den nächsten (Erfolg).

Über diesen Gegensatz möchte ich mich nur so weit auslassen, dass es helfen könnte, sich zu jedem angestrebten Erfolg auszumalen, wann und wie er Genuss bescheren dürfte. Mehr sorgt mich die aus allzu schlichtem Streben hervorgehende gesellschaftliche Orientierungslosigkeit. Sie hilft inzwischen jenen, die eine heile Welt von gestern - ohne Ressourcenfrage und Klimawandel - versprechen und sich von nationalistischen und autoritären Systemen angezogen fühlen.

Markus Hiereth

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