27. Juni 2021
Niemand kann den Boden vermehren, aber die Kommunen in Deutschland haben mit der Raumplanung einen Hebel, mit dem sie steuern können, wie Flächen verwendet werden, Eching ist nach wie vor von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben, zugleich aber steht es wie das ganze Münchner Umland unter Zuzugsdruck. Entsprechend teuer ist Bauland und entsprechend hoch sind Immobilienpreise und Mieten.
Schon jahrzehntelang wandelte die Gemeinde Eching den Status von Flächen. Aus Äckern am Ortsrand werden Baugebiete, wobei es nicht beim reinen Verwaltungsakt bleibt. Der Gemeinde fällt es zu, die Infrastruktur aufzubauen: Im mindesten Straßen und Leitungen zur Ver- und Entsorgung, nach Bedarf auch Schulen, Freizeitanlagen und anderes. Mit dieser Umwandlung geht eine beträchtliche Wertsteigerung einher, von der nicht nur der Eigentümer des Bodens profitieren sollte.
Daher kaufte die Gemeinde demm Vorbesitzer die Hälfte des Neubaugebiets mit erheblichem Preisabschlag ab ("Echinger Baulandmodell"). Entsprechend gab und gibt es für Bauwillige zwei Adressen: Zum einen den privaten Grundeigentümer und zum anderen die Gemeinde.
Sie bietet ihre Grundstücke unter dem Marktwert an, allerdings nach einem mit einer Mehrheit aus SPD, Grünen, BfE, EM und ÖDP gefassten Gemeinderatsbeschluss von 15. Dezember 2020 nicht mehr als Objekte zum Kauf, sondern über Erbbaurechtsverträge.
Die beiden wichtigsten Argumente hierfür waren, dass die Gemeinde dadurch zu langfristigen Einnahmen kommt und Bauwillige ihr Vorhaben deutlich leichter finanzieren können, wenn nicht auch der Grund erworben wird und bezahlt werden muss. Entsprechend kommt der Grund nicht in die Verfügung des Bauherrn. Er kann zwar das Haus, nicht aber das Grundstück verkaufen. Somit bleibt dieser Grundstücksbestand beim Marktgeschehen außen vor. Die Bodenpreis-Steigerung, deren Ende nicht absehbar ist und die der politischen Forderung nach bezahlbarem Wohnraum entgegensteht, bleibt auf dem weiterhin kommunalen Boden außen vor. Auch die Vergünstigung, die die Gemeinde Bauwilligen gewährt, bleibt eine Zahl im Hintergrund, weil sie "nur" den Erbbaurechtszins mindert. Doch eben die Koppelung zwischen Vergünstigung und Objekt im Erbbaurecht war für die Gemeinderats-Mehrheit zentral: Weil die Vergünstigung nie als klingende Münze in Erscheinung tritt, kann sie auch nicht einfach "mitgenommen" werden. Infolgedessen wirkt die Subventionierung nachhaltig.
In der Gemeinderatsdebatte vom Dezember letzten Jahres traten Gegner dieses Schwenks hin zu Erbbauverträgen mit dürftigen Argumenten auf: Georg Bartl (CSU) pochte darauf, dass die Gemeinde das Geld aus dem Baugrundverkauf besser jetzt als später ihrem Haushalt zuführe. Christoph Gürtner von den Freien Wählern erklärte es zum Problem, dass die Erbbauverträge Arbeitskraft der Verwaltung binden und meinte dabei offenbar die Kontrolle auf regelmäßgen Eingang des Erbbauzinses.
Die nach den Mehrheitsverhältnissen und Debattenbeiträgen erwartbare Niederlage bei der Abstimmung im Gemeinderat ließ Freien Wählern, CSU und FDP offenbar keine Ruhe. Die Freien Wähler leiteten ein Bürgerbegehren ein. Offen bleibt, inwieweit man mit diesem Schritt verärgerte Bürgerinnen und Bürger um sich scharen wollte und inwieweit es darum ging, sich für eine Abstimmungsniederlage zu revanchieren.
Dass auch parteipolitisches Kalkül im Spiel war, ließ ein nächster Schritt der Freien Wähler vermuten. Sie beantragten im März ein Ratsbegehren, also einen durch Gemeinderatsbeschluss eingeleiteten Bürgerentscheid. Gegenstand wäre derselbe gewesen wie in dem ein paar Wochen zuvor gestarteten Bürgerbegehren. Denkbare Gründe wären ersparter Aufwand, denn bei Annahme hätte sich weiteres Sammeln von Unterschriften sofort erledigt. Vielleicht spekulierte man auch auf die Unterstützung unserer Fraktion aus Bürger für Eching, Echinger Mitte und ÖDP. Nachdem diese ausblieb, zeterten Freie Wähler und die CSU in ihren Medien, Bürgerbeteiligung sei in unserer Programmatik nur eine Phrase gewesen. Wir aber fanden die Gemeinderatsentscheidung von Dezember nach wie vor richtig und signalisierten, einem Bürgerentscheid keine Steine in den Weg zu legen, sobald die nötigen Unterschriften vorliegen. Denn so wäre gezeigt, dass Bürgerinnen und Bürger eine Abstimmung wollten und es nicht um Ideologie oder Machtkämpfe unter Personen geht, die sich im März 2020 zur Wahl stellten, um im Gemeinderat zu arbeiten.
Im Mai lag die nötige Zahl gültiger Unterschriften vor und der Gemeinderat setze den 25. Juli für einen Bürgerentscheid an. Doch gab es auf unserer Seite, die Argumente für das Erbbaurecht könnten zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Tatsächlich hatte die andere Seite schon mit Verkürzungen gearbeitet: Sie stellte in den Raum, Baugrundstücke könnten nicht mehr gekauft werden. Dabei ist ein Teil der Objekte in den Neubaugebieten in privater Hand, also käuflich. Auch den von der Gemeinde gewährten Nachlass beim Preis lassen Freie Wähler, CSU und FDP geflissentlich außen vor. Dabei ist es das natürliche Recht einer Gemeinde vorzugeben, in welcher Art und Weise Einzelnen Vergünstigungen gewährt werden.
Mit Verweis darauf, dass den Abstimmenden die Argumente beider Seiten bewusst werden sollten, behandelte der Gemeinderat am 16. Juni von neuem einen Antrag auf einen Entscheid über die Grundstücksvergabe in Neubaugebieten. Nur, dass hier die Ratsmehrheit die Frage formulierte. In ihr ist ausdrücklich von vergünstigtem Baugrund die Rede.
Sebastian Thaler verwies in dieser Sitzung bedauerlicherweise zweimal auf einen 2013 von einer Mehrheit im Münchner Stadtrat durchgesetzten Ratsentcheid. Zuvor hatten die Gegner einer Flughafenerweiterung einen Bürgerentscheid durchgesetzt. Die Stadtratsfraktionen von SPD, CSU und FDP zielten ab, den Ausgang des Bürgerentscheids in ihrem Sinn zu beeinflussen. Durch den Ratsentscheid plazierten sie die Frage, ob die Abstimmenden einen 'von der Flughafengesellschaft finanzierten' Bau der Dritten Startbahn befürworteten auf dem Stimmzettel. Allen, die nicht wussten, dass der Münchner Flughafen ein von Bund, Freistaat Bayern und Stadt München getragenes Unternehmen ist, wurde suggeriert, die zusätzliche Piste sei für den Steuerzahler völlig unbedenklich. Als Anwohner aber waren die Münchnerinnen und Münchner sowieso nicht betroffen. Erfreulicherweise ging das Kalkül nicht auf. Die Gegner der Flughafenerweiterung siegten knapp und die dritte Startbahn liegt seither auf Eis. Zu dem umwelt- und energiepolitisch damals schon falschen Vorhaben wird sich aktuell wohl nicht ein Politiker bekennen wollen. An den Fingern einer Hand lässt sich abzählen, wie es um die Rentabilität dieser Investition bestellt wäre: 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, wurden Insolvenzen bei Flughäfen und Luftverkehrsunternehmen mit öffentlichen Mitteln abgewendet. Zwar wird der Luftverkehr wieder zunehmen, dennoch dürfte sich zum Beispiel die Sicht von Unternehmen auf Geschäftsreisen nachhaltig geändert haben.
Der Entscheid über die künftige Baulandvergabe durch die Gemeinde Eching erfolgt per Brief. Aufgrund des angenommenen Ratsentscheids werden nun drei Fragen gestellt und drei Kreuzchen wären zu machen. Auch Auszüge einer beim Freisinger Landratsamt eingeholten Stellungnahme wurden am 16. Juni den Gemeinderäten vorgetragen. Ein Detail darin war so skurril, dass offenbar nicht einmal die für die Organisation der Abstimmung zuständige Rathausmitarbeiterin verstand, wie die Rechtsaufsicht in Freising sie begründen wolle. Das Landratsamt untersagte, gemeinsam mit dem Stimmzettel Erläuterungen zum Abstimmungsgegenstand zu versenden. Zum Vergleich: In der Schweiz enthalten die Abstimmungsunterlagen die Stellungnahmen verschiedener Seiten, also Argumente für und gegen die angestrebte Gesetzesänderung. Sowohl die Freien Wähler als auch die Echinger Ratsmehrheit wären offenbar interessiert gewesen, ihre Argumente auf diesem Weg vorzubringen. Doch anscheinend fehlte es an Zeit und Energie, sich diesbezüglich mit dem Landratsamt auseinanderzusetzen.
Sollte nicht bloß unser Landratsamt ein Problem damit haben, dass Abstimmungsunterlagen das Für und Wider ansprechen, wäre es dem Gemeinwesen sicher dienlich, wenn ein Experte für demokratische Willensbildung den Experten der Rechtsaufsicht erklärte, dass zu Volks- wie Bürgerentscheiden ein gemeinsames Mindestmaß an Information gehört.
Vielleicht hätte die örtliche Politik gut daran getan, der alleinigen Vergabe im Erbbaurecht mehr Vorlauf zu geben. Beispielsweise durch einen Beschluss, die Änderung für die aktuellen Baugebiete nocheinmal auszusetzen. So hätte es auch keines Ratsbegehrens bedurft. Weder des abgelehnten der Freien Wähler im April noch des jetzt von der Gemeinderatsmehrheit angenommenen.
Wenn aber über neun Prozent der Echinger Wahlberechtigten für das Bürgerbegehren unterschrieben haben, ist ein Bürgerentscheid offenbar erwünscht. Wir setzen jetzt darauf, die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass der Gemeinderat im Dezember richtig entschieden hat.
Markus Hiereth