Veröffentlicht im Echinger Forum, Ausgabe 09/2022
Damit das Volkbegehren "Radentscheid" [1] für ein fahrradfreundlicheres Bayern zugelassen wird, werden derzeit Unterschriften gesammelt. Bayernweit braucht es 25000, gleich beim ersten Infostand in Eching freuten wir uns über mehr als hundert Unterschriften.
Wobei ich vor einiger Zeit noch dachte, dass das Rad als ideales Vehikel innerhalb und zwischen Orten vor allem ein kommunales Thema sei. Mit dem Radweg nach Garching und den neuen Abstellanlagen an der S-Bahn setzte die Gemeinde ja einige Vorhaben um.
Doch angesichts des aktuellen Plans für die Kreuzung von Haupt- mit Paul-Käsmaier- und Dietersheimer Straße wirken all die Erklärungen für eine andere Mobilität wie Lippenbekenntnisse. Sicher, dort stauen sich die Autos des öfteren. Doch rechtfertigt das einen 1,5 Millionen Euro teuren Umbau? [2] Und für mich unannehmbar ist, dass mit diesem Geld der Fußgängerübergang auf der Ostseite abgeschafft würde.
Den Hintergrund dafür bildet wohl die künftige Fünfspurigkeit des Straßenstücks zur Autobahn. Um Platz dafür bekommen, würde die Fußgängerinsel verschwinden, die andererseits aber für eine Straße mit dieser Anzahl von Spuren offenbar vorgeschrieben ist. Daher: "Weg mit dem Übergang!" Fußgängern bliebe, nacheinander die drei übrigen zu nutzen. Als reichte nicht, dass Ampeln und Anforderungs-Taster Fußgängern heute schon nur ein kurzes Zeitfenster zum Benutzen der Kreuzung zubilligen. Insgesamt wäre ein dieser Planung folgender Umbau finanziell nicht zu vertreten und ein Zeugnis politischer Orientierungslosigkeit.
Auf dem Weg nach Günzenhausen folgt nicht weit davon die nächste Stelle, die aufzeigt, wie wenig jene zählen, die zu Fuß und ohne Blech von A nach B wollen. Auf den Rampen zur Bahnbrücke gibt es beidseitig Wege für Fußgänger und Radler, doch oben auf der Ostseite lässt ihnen eine nachträglich angebrachte Leitplanke bloß noch einen Pfad von einem Meter Breite. Nach Vorgaben für den Straßenbau müssen Leitplanken wohl vom Fahrbahnrand aus nach außen versetzt sein. Auf der Brücke jedoch begrenzen Randsteine die Fahrbahn. Zusammen mit der Leitplanke bedeutet das für einen aus Spur geratenen Laster nicht mehr, sondern weniger Sicherheit: Beim Kontakt mit dem Randstein wird dessen Kippen eingeleitet, und, wenn es stark genug ist, wird es die Leitplanke nicht beenden, sondern noch beschleunigen. Der Laster stürzt über das Geländer. Meiner Auffassung, dass hier von Radlern und Fußgängern gebrauchter Verkehrsraum sinnlos vergeudet wird, widersprach bislang niemand. Davon abgesehen ist ein Rätsel, weshalb die Le-Cres-Brücke in Unterschleißheim ganz ohne Leitplanken auskommt.
In beiden Fällen benachteiligen Vorschriften von höherer Ebene Fußgänger und Radfahrer im Gemeindegebiet. Dies spricht dafür, per Volksbegehren in Bayern Korrekturen anzugehen. Wie wichtig darüber hinaus für einen Umstieg auf das billige, umweltfreundliche und gesunde Fahrrad die nationale Politik ist, vermittelte am 10. August die Deutschlandfunk-Sendung "Hintergrund" über Mobilität in den Niederlanden [3]. Auch Holländerinnen und Holländer kommen nicht auf dem Rad zur Welt. Entscheidungen der 1980er Jahre sorgten dafür, dass sie sich heute auf den Straßen - anders - begegnen.
Markus Hiereth