Ökologisch-Demokratische Partei
Ortsverband Neufahrn-Eching

Fragen und Antworten zur Anpassung des Angebots im öffentlichen Nahverkehr

Vorbemerkung

Die folgenden Fragen wurden am 17.05.2022 in der Sitzung des Rates der Gemeinde Eching gestellt, die Antworten von Bürgermeister und Verwaltung dem Gedächtnis nach festgehalten. Hintergrund der Diskussion war der Bericht des Zweckverbands-Geschäftsführers Johannes Mahl über seine Gespräche mit der Landkreisverwaltung bzw. dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund MVV. Demnach sei das Busangebot im Gemeindegebiet befriedigend und die vom Gemeinderat angestrebte Angebotsausweitung frühestens zum Fahrplanwechsel Dezember 2026 möglich. Eine mittlerweile mehr als ein Jahr währende Beschäftigung mit dem Thema war Grundlage meiner Kommentare.

Um interessierten Besuchern auf dieser Internetseite gerecht zu werden und dennoch den Sitzungsverlauf grob wiederzugeben, wurden die Fragen in der folgenden Tabelle drei Kategorien zugeordnet:

  1. Inwiefern die Frage von allgemeinem Interesse ist und grundlegende Sachverhalte betrifft
  2. ob es um die Echinger Gemeinderatsbeschlüss von November 2021 oder
  3. um das diesbezügliche Handeln der Akteure geht
  4. Über die Sprungmarken in der rechten Spalte wird die Behandlung der jeweiligen Frage im Sitzungsverlauf erreicht.

    Markus Hiereth
Aspekt Frage Sprungmarke
A. Grundlegendes
Angebot und Nachfrage Wie wird die Nachfrage ermittelt um gegebenenfalls das Angebot anzupassen? → 11
Kostenkalkulation Inwieweit sind im Gemeinderat genannten Betriebskosten realistisch und wie könnten sich die aktuellen stark steigende Treibstoffpreise niederschlagen? → 12
Überschneidungen neuer mit existierenden Linien Zu welchem Anteil kann der Weg einer neue Linie über schon bediente Teilstrecken führen? → 9
lokale Lösungen Inwieweit könnte die Gemeinde die Angebotslücken in eigener Regie zeitnah schließen? → 14
B. Die Gemeinde Eching und aktuelle Ziele betreffend
Angebotsausweitung innerhalb laufenden Vertrags Hätte diese Möglichkeit bestanden? → 5
Überschneidungen neuer mit existierenden Linien Weshalb konnte im Jahr 2021 die Buslinie 660 Freising - Garching in Betrieb gehen, obwohl das Teilstück Dietersheim - Garching-Forschungszentrum schon von der Linie 690 bedient wird? → 8
Bedarf und Angebot Mit welchem zeitlichen Horizont wollen Gemeinde, Landkreis und MVV die festgestellten Angebotslücken schließen? → 13
C. Das Handeln örtlicher Akteure betreffend
Gemeinderatsantrag und Beschlussvorlage Was legitimiert die Verwaltung, in der Beschlussvorlage den Kern des Antrags zu ignorieren? → 1
Gemeinderatsantrag und Beschlussvorlage Inwiefern hat der Bürgermeister der Antragsinhalt überhaupt als relevant betrachtet? → 2

1 Markus Hiereth an Bürgermeister Sebastian Thaler

Frage: Was legitimiert die Verwaltung und Sie als ihre Spitze, in der Beschlussvorlage das Ziel, die Gemeinde möge sich mit einem Antrag an den Landkreis als Aufgabenträger wenden, durch einen Auftrag zu einem Gespräch zu ersetzen? Schließlich wäre im Kreistag über einen solchen Antrag auch nicht ohne eine Stellungnahme der Landkreisverwaltung abgestimmt worden.

Antwort: Es zwar ist richtig, dass ein solcher Antrag direkt an den Kreistag hätte gehen können. Aber das ihn stellende Kreistagsmitglied ist so nicht sicher, ob es im Sinne der Gemeinde handelt.

Kommentar:

Mit einem Gemeinderatsbeschluss entsprechend des Originalantrags hätten die beiden Echinger Kreistagsmitglieder sowie die ödp-Kreistagsfraktion eine Behandlung des Vorschlags und eine Abstimmung auf Kreisebene erreichen können. Dieser Beschluss wäre zugleich Willensbekundung genug gewesen.

2 Markus Hiereth an Sebastian Thaler

Frage: Der Antrag zu Sonntagen hatte das Ziel in Gesprächen mit Neufahrn, Fahrenzhausen, Kranzberg, Allershausen zu klären, inwieweit ein "dünner Linienbetrieb", ein auf diese Gemeinden beschränkter und versuchsweiser oder ein landkreisweiter Richtungsbandverkehr nach Fürstenfeldbrucker Vorbild erwünscht wäre. Dieser Antrag lag der Gemeinde im Oktober vor. Ihnen zufolge wer eine Behandlung erst im November möglich, damit die Verwaltung dazu eine sorgfältige Stellungnahme erstellen könne. Tatsächlich endete diese Stellungnahme mit einem offenkundig durch schlichtes Kopieren des Beschlussvorschlages der Stellungnahme zu dem Antrag für Werktage. Entsprechend gab dieser Beschlussvorschlag die Intention des Antrags gar nicht wieder: Statt informellen Gesprächen mit den andern Gemeinden gleich ein Gespräch mit dem Aufgabenträger Landkreis. Wurden zu dem Belang überhaupt Gespräche mit den Gemeindeverwaltungen von Neufahrn, Fahrenzhausen, Kranzberg, Allershausen geführt?

Antwort: Unser Gesprächspartner ist der Aufgabenträger, der Landkreis. Natürlich führe ich als Bürgermeister Gespräche mit den anderen Bürgermeistern.

5 Markus Hiereth an Sebastian Thaler

Frage: Laut Herrn Mahl werden Sie routinemäßig/jährlich befragt, was an Buslinien mit laufendem Vertrag zu verbessern wäre. Es gibt eine Volumen-Ausweitungs-Option, die Leistung jährlich um 15% aufzustocken. Kooperation hätte gehießen, diese Option mit uns zu erörtern und gegebenenfalls mit ihr das Ziel verfolgt, dass die Firma Boos als Auftragnehmer der Linie 695 Kirchdorf - Garching, die sozsagen das Rückgrat des angestrebten Angebots darstellt, die Lücken auf Echinger Gebiet im Rahmen des laufenden Vertrags schließt.

Antwort: Der Leistungsrahmen bei der Linie 695 ist nach Stundentakt-Einführung sozusagen ausgereizt gewesen.

8 Markus Hiereth an den Geschäftsführer des Zweckverbands, Johannes Mahl

Frage: Warum konnte der Expressbus 660 letztes Jahr in Betrieb gehen, wo doch die Buslinie 690 auf der Teilstrecke Dietersheim und Garching-Forschungszentrum schon fuhr und der entsprechende Dienstleistungsvertrag läuft und erst 2026 endet?

Antwort von Sebastian Thaler: Der Bus 660 ist etwas Besonderes. Er hat studentische Fahrgäste, die zwischen Garching und Weihenstephan unterwegs sind.

9 Julian Morgenroth (SPD) an Johannes Mahl

Frage: Wieviel Prozent Streckenübereinstimmung zwischen einzuführenden und bestehenden Linien sind denn tolerierbar?

Antwort: Das kann man nicht so genau beziffern.

Kommentar:

Die Überschneidungen beim Linienweg stellen keinen Grund zum Verwerfen der Konzepte dar. Denn die von der Bezirksregierung genehmigten Buslinien (614 Deutenhausen - Günzenhausen, 695 Günzenhausen - Eching, 690 Eching - Garching-Forschungszentrum) werden allesamt nicht eigenwirtschaftlich durch die Busunternehmen (Knab, Boos, Ettenhuber), sondern innerhalb des MVV betrieben. Daher tangiert eine zusätzliche Linie auf einer Strecke nicht diese Unternehmen, sondern die Auftraggeber (also den Landkreis, die Gemeinde) und dies auch nur in dem Falle, dass das zusätzliche Angebot keine Steigerung der Fahrgastnachfrage nach sich zieht.

  • Die Überschneidung auf der Linie 614 ist nachrangig, da nur wenige Fahrten nach/von Freising abgewickelt werden, die Linie auf den Bedarf von Schülern abgestellt ist und wegen fehlender Verknüpfung mit der S-Bahn der Nachfrage im Freizeit- und Berufsverkehr nicht gerecht wird [1].
  • Die Überschneidung mit der Linie 690 ist irrelevant, weil diese Line Eching und Garching-Forschungszentrum nur mit Umweg über Neufahrn verbindet. Eine Fahrzeit von 45 Minuten, um ein nur sechs Kilometer entferntes Ziel zu erreichen, ist inakzeptabel.

Genehmigungen zum Betrieb einer Linie, im folgenden "Konzessionen" genannt, werden seitens der Bezirksregierungen ausgegeben. Wenn Änderungsbedarf besteht, würde die Bezirksregierung eine Anhörung der Beteiligten durchführen. Der Inhaber einer Konzession kann seine Forderung, einem anderen Unternehmen möge keine Konzession erteilt werden, nicht damit untermauern, dass diese eigene wirtschaftliche Interessen negativ tangiert. Relevant ist hingegen, dass das Vergaberecht eingehalten wird.

11 Christoph Gürtner (FW) an Johannes Mahl

Frage: Wie geht der örtliche Bedarf in die Planung auf Kreisebene ein?

Antwort: Bei Erstellung von Nahverkehrsplänen in Form von Bevölkerungsdaten und Erfassung von wichtigen Zielen wie Schulstandorten.

Kommentar:

Eine getaktete Busverbindung der Orte Deutenhausen und Ottenburg mit der S-Bahn ist im Nahverkehrsplan 2019 des Landkreises enthalten. Ebenso ein Lückenschluss zwischen Dietersheim und Eching.

Zweifeln an der Nachfrage auf einer Verbindung könnte Rechnung getragen werden, indem die Vertragslaufzeit kurz gehalten wird, z.B. vier Jahre, 2022 - 2026, was mit unserem Gemeinderatsantrag vom November angepeilt war. Angemerkt sei noch, dass bei der Erteilung oder Verweigung einer Konzession der Nahverkehrsplan nicht das allein entscheidende Dokument ist [2].

12 Christoph Gürtner (FW) an Johannes Mahl

Frage: Mir fehlt die Beleuchtung der Kosten. Die Kraftstoffpreise sind inzwischen deutlich höher.

Antwort: Die Kalkulation im Originalantrag war nicht unrealistisch.

Kommentar:

Die Übereinkunft bezüglich des Preises für die Leistung ist ein Ergebnis von Ausschreibung und Vergabe. Für Kraftsstoffe als variablen Kostenfaktor sind Anpassungsklauseln gebräuchlich, die einen Preisindex einbeziehen. Darüber hinaus kann ein Busunternehmen, das bei die Erbringung der Dienstleistung Verluste macht, den Vertrag kündigen.

Für den Fall der Insolvenz eines Busunternehmens ermöglicht es die EU-Verordnung dem Aufgabenträger, durch Verzicht auf eine EU-weite Ausschreibung rasch einen anderen Dienstleister zu finden und einen neuen Vertrag einzugehen.

Im MVV werden durch regelmäßige Zählung und Befragung der Fahrgäste auf jeder Linie die Auslastung und der Fahrgelderlös ermittelt. Davon unabhängig erhält der Busunternehmer den vertraglich vereinbarten festen Preis für seine Dienstleistung. Die Auslastung wirkt sich also nicht auf ihn, sondern auf den Besteller des Busverkehrs aus: Bei stark frequentierten Linien kommen beim MVV hohe Fahrgeldeinnahmen zusammen, die mit den Preis gleichziehen können. Damit würde der Busverkehr für den Landkreis bzw. die Gemeinde kosten-neutral. Im Gegensatz dazu trügen die Besteller einer Linie ohne Fahrgeldeinnahmen die Kosten des Busbetriebs komplett.

Dieser Zusammenhang entzieht auch Darstellungen die Grundlage, Auslastungsdaten müssten in den kommunalen Gremien nichtöffentlich behandelt werden, weil sich Bieter (Busunternehmen) bei einer Ausschreibung an solchen Zahlen orientieren könnten. Für die Bieter ist er eigene Aufwand (Personal, Fahrzeuge, Kilometerleistung) relevant, nicht die Fahrgastnachfrage. Für öffentliche Gebietskörperschaften als Besteller ist die Fahrgastnachfrage dagegen relevant. Da es sich um eine politische Materie handelt, bedarf es öffentlicher Daten und einer offenen Diskussion.

13 Michaela Holzer (BfE) an Johannes Mahl

Frage: Wie lange dauert es denn, bis die von Ihnen verfolgten Verbesserungen für Deutenhausen, Ottenburg und den westlichen Teil Echings umgesetzt sind?

Antwort: Das lässt sich schwer sagen, da ja alle Gremien beteiligt/durchlaufen werden müssen.

14 Alex Krimmer (ödp) an Johannes Mahl

Frage: Die Abläufe/Verfahren sind extrem kompliziert und langwierig. Warum kann nicht die Gemeinde selbst einen Busbetrieb bestellen oder einrichten?

Antwort: Das wirft die Frage nach Fahrpreis und Finanzierung auf. Die Einbindung in den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund ist essentiell. Zudem würde Eching als Besteller die Kosten alleine tragen müssen; der Landkreis den Betrieb nicht mitfinanzieren.

Kommentar:

Eine Echinger Insellösung ist nicht attraktiv: Zwei Fahrscheine - einer für Eching und einer für die Fahrtfortsetzung mit MVV-Verkehrsmitteln - wären ein Anachronismus. Somit bliebe nur eine kostenlose Benutzung des gemeindlichen Busses, was diese Lösung für die Kommune verteuern würde.

Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist der am 17.5. vom Deutschlandfunk gesendete Bericht über den kostenlosen Nahverkehr in Pfaffenhofen [3]. Demzufolge ist der dortige Bürgermeister mit dem Erreichten nicht zufrieden. Denn einerseits wird der Autoverkehr nicht deutlich genug vermindert und andererseits verweigere der Freistaat Bayern der Stadt Pfaffenhofen wegen der kostenfreien Nutzung die übliche Bezuschussung. Die Fahrgäste in den Bussen wertschätzen die kostenlose Beförderung. Eine befragte Pfaffenhofenerin räumte ein, dass das eigene Auto weiterhin vielfach gewohnheitsmäßig und unreflektiert genommen werde.

Verweise

1
vgl. das Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach eine vorhandene, auf Schüler abgestellte Buslinie nicht als Grund angeführt werden kann, die Konzession für einen weiteren Linienbus zu verweigern. Die bestehenden Linien würden hauptsächlich von Schülern nachgefragt. [...] Für die von dem Beklagten gezogenen Folgerungen hätte es aber des Nachweises bedurft, dass Berufstätige vorhandene Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs nicht nutzen oder für den Fall ihres Vorhandenseins nicht nutzen würden. Bayerischer VGH, Urteil vom 15.03.2012 - 11 B 09.1114
2
Aus dem Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs: Soweit in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten und Beigeladenen zu 5 ausgeführt wurde, die von der Klägerin beantragte Linie 2 sei auch deshalb nicht vorzugswürdig, weil sie die Verkehrsbeziehungen zu dem nach der Nahverkehrsplanung des Landkreises Donau-Ries zentralen Knotenpunkt Nördlingen nicht berücksichtige, kann dem nicht gefolgt werden. Es fehlt bereits an einer Darlegung, warum und unter welchem Gesichtspunkt Nördlingen für jede Buslinie einen zentralen Knotenpunkt darstellen soll. Bayerischer VGH, Urteil vom 15.03.2012 - 11 B 09.1114
3
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